Yesterday is history, Tomorrow is a mystery, But today is a gift, That is why it is called the present.
Eleanor Roosevelt
Es war der zweite schulische Lockdown. Von einem auf den anderen Tag wurde im Januar 2021 das öffentliche Leben erneut eingefroren. Geschäfte und Schulen wurden geschlossen und es herrschte große Ungewissheit, was die Zukunft bringen würde. In dieser Zeit musste ich als Lehrer spontan und ohne echte Vorplanung Unterricht auf Distanz durchführen. 27. Januar 2021, es war 7:35 Uhr und mit Beginn des ersten Tages Distanzunterricht brach natürlich der Schulserver zusammen, da dieser noch nicht darauf vorbereitet war, dass plötzlich alle SchülerInnen und LehrerInnen gleichzeitig auf ihn zugreifen werden. Kein Messenger, Keine Videokonferenz, kein dynamischer Austausch. Alle Anrufe in der Schule konnten das Problem nicht beheben und mein Frustrationspegel war im Maximalbereich. Kurzerhand verschickte ich alle Aufgaben des Tages per E-Mail an die SchülerInnen und mir blieb nicht viel mehr übrig, als abzuwarten, bis erste Lösungen in meinem Postfach eintrafen.
Irgendwann in dieser Wartezeit sickerte das Format „Backyard Lauf“ in meine Gedankenwelt ein. Ich hatte bereits im Jahr 2020 dank Strava registriert, dass Carsten Drilling im schweizerischen Witikon eigenartigerweise immer gleiche Runden lief und dabei einen Kilometerumfang im Ultrabereich absolvierte. „Was macht DER denn da für`n Quatsch? Das kann doch keinen Spaß machen!“ waren damals meine ersten Gedanken und ich muss sagen, dass mir das Format „Backyard Lauf“ in keinster Weise spannend oder nachahmenswert erschien.
Ich hatte bis zum „Distanzunterricht Breakdown“ im Januar 2021 aber immerhin die Regeln des Backyard verstanden und wusste, dass man die 6,7 Km ja ganz locker in einer Stunde erledigen kann und dann noch maximal 20 Minuten Zeit hat, um sich auszuruhen. Also schnürte ich total spontan gegen 8:50 Uhr meine Laufschuhe und begab mich um Punkt 9:00 Uhr auf eine „Dorfrunde“, von der ich wusste, dass sie in etwa 6,7 Kilometer lang sein muss. Nach gut 40 Minuten war ich wieder daheim und erste Schülerantworten fanden sich in meinem Postfach, welche ich mir nun anschauen durfte. Um Punkt 10:00 Uhr startete ich auf meine nächste Runde. Es hatte mittlerweile begonnen zu schneien und ich trabte ab der Hälfte der Runde auf geschlossener Schneedecke dahin. Gedämpftes, gleichmäßiges und beruhigendes Stapfen meiner Schritte in weißer Winterlandschaft.

Bei Ankunft bot sich mir erneut ein knapp 20 minütiges Zeitfenster, in der ich Arbeitsergebnisse durchschaute, Tee trank, etwas Müsli verschlang, um dann – wie automatisiert – Punkt 11:00 Uhr zur nächsten Runde aufzubrechen. Ganz schnell war ich in den Mechanismen und Zwängen des Backyards gefangen. Tja und was soll ich sagen? So kam ich an diesem Tag auf 7 Runden mit gut 47 Kilometern. Von Runde zu Runde wurde meine Laune besser, nein, sie wich sogar echter Freude, als ich die 30K Marke passierte und gipfelte in Euphorie, als ich auf die Marathondistanz kam. Doch am Ende musste ich meinem viel zu hohem Anfangstempo Tribut zollen und ging den letzten Kilometer der letzten Runde nach Hause. Damals kam es mir noch nicht in den Sinn, dass das Gehen beim Backyard überlebenswichtig ist. Am Ende dieses Tages war ich Fan des Backyardformats (auch als Sololäufer), hatte allen SchülerInnen eine Rückmeldung gegeben, hatte einen Ultralauf absolviert, gut gegessen, Zeit mit der Familie verbrach und saß am nächsten Morgen ohne Muskelkater um 7:00 Uhr erneut am Computer und war fast ein wenig traurig, dass. nun der Server stabil lief und ich nicht entschwinden konnte in den Rausch des Laufens.
Mit diesem Erlebnis war für mich klar, dass ich das Backyardformat in erweiterter Gesellschaft ausprobieren wollte. Um so veranstalteten wir am 19.06.21 unseren ersten kleinen Backyardlauf auf Einladung. Wir starteten direkt bei uns vor der Haustür und es gab bereits eine kleine Läuferversorgung auf unserer Terrasse. 10 Läufer (ohne Frauen) gingen an den ersten Start bei 32 Grad und wolkenloser Hitze. Den Siegerpokal reckte am Ende Andreas Klink in die Höhe, der sich in der Hitzeschlacht den Sieg nach 9 Runden sicherte (60,7K). Mit diesem ersten privaten Backyard waren für mich die letzten Zweifel beiseite geräumt. Das Format macht Spaß, ist kommunikativ, entspannend, fordernd und einfach etwas ganz anderes als ein 10er, ein Halbmarathon, Marathon oder Ultralauf. Nicht besser, nicht schlechter – anders einfach. Der Termin für den ersten Backyard Ultra war schnell gefunden: der letzte Samstag im Oktober – Zeitumstellung, also eine Stunde oder auch eine Runde mehr Zeit zum Laufen! Was will man mehr? Zum Glück sicherten beiden Sportvereine der Umgebung (TuS Ovenhausen und TuS Lütmarsen) die Trägerschaft des Laufes zu. Von da an sind beide Vereine offizielle Ausrichter des Weserbergland Backyards, der in seiner ersten Ausgabe noch lokalpatriotisch „Lütmarser Backyard Ultra“ hieß.

Sebastian Brandt, Moritz Hoppe, Markus Spieker, Lars Gonnermann, Manuel „Smo“ Smolinski, Michael Köhne, Andreas Klink, Timo Fischer, Christoph „Piet“ Klocke und Thorsten Bahr. (v.l)